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Attraktion und Mitmacht

18.12.24

Merve Leipzig, 2024, 79S., 10€

1. EXKLUSIV: Auswahl / Exklusivität / Kunstwerke / Unersetzlich NFT und KI / Künstlerx / Dienst am Exklusiven / Das Märchen der Autonomie / Sammeln / Oligarchismus / Kuratieren / Über-Kunst / Gute Kunst / Künstlerische Forschung / Vermittlung und Partizipation / Freeportismus

2. MODERN: Liberale Artisten / Museum für Fortschritt / Moderne / Interessiertes Missfallen / Publikumsverachtung / Abstrakte Hegemonie / Kulturkolonialismus / Technisch rückständig / Das Ende der Geschichte /

Zeitgenössische Kunst

3. MITMACHEN: Publikum / Sehenswerte / Auswahl / Ansehen / Von Lumbung lernen / Entkolonialisieren / Zuschreibungen / Ent-Exklusion / Betrachterkunst / Anerkennung / Like Cube / Ausstellen

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In der Kunst hat das Publikum nichts zu sagen. Was als wertvoll gilt, bestimmt der Markt, also Sammler und Investoren. Deren Auswahl dominiert die großen Ausstellungen und Museen. Das führt dazu, dass Kunst im Kern eine oligarchische Kulturform ist. Denn sehr wenige wohlhabende Käufer entscheiden, was gezeigt wird und was nicht. Institutionen, Galerien, Kuratoren und Künstler sind auf ihr Wohlwollen angewiesen. Dagegen bleiben Betrachterinnen wie Betrachter von Entscheidungen über die Auswahl der ausgestellten Kunst ausgeschlossen. Sie dürfen kommen, sehen und schweigen. Was ihnen vorgeführt wird, richtet sich so gut wie nie nach ihren Vorlieben oder Wünschen. Dass das Publikum in einem kulturellen Bereich derart ignoriert wird, ist ebenso bemerkenswert wie außergewöhnlich. In dieser Hinsicht unterscheidet sich die bildende Kunst von so gut wie allen anderen Kunstformen. Überall sonst rühren sowohl Anerkennung wie Einnahmen auf die eine oder andere Weise vom Zuspruch des breiten Publikums her, ob über Eintrittskarten, Verkaufszahlen oder Klicks.

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Das Ausstellen sollte als soziales Ereignis, und das heißt immer auch als digitales, neu erfunden werden. Es kann Zusammenkunft und Bilderfest in einem werden. All die rituellen Momente, in denen Kunst und Publikum zusammenkommen, lassen sich auf dieses Ziel hin neu entwerfen. Von Anfang an sollte das Zeigen von Kunst darauf ausgerichtet sein, dass die Werke immer vielfach zu sehen sind, im Raum lokal und verteilt im Netz. Vor Ort würden Kommentare in Posts, Bildern und Videos angeregt, aufgegriffen und abgebildet werden. Manche Arbeiten könnten während der Schau ausgewechselt werden, vielleicht auch verändert, umgebaut oder erweitert. Warum sollte ein und dieselbe Kunst unverändert nebeneinander über eine Dauer von mehreren Wochen gezeigt werden? Die Auswahl weiterer auszustellender Werke könnte in den Ablauf der Ausstellung eingebaut werden. Warum nicht einen laufenden Wechsel, um auf die Wünsche des Publikums, plötzliche Eingebungen oder neue Vorschläge zu reagieren? Zum Abschied wie zum Willkommen eines neuen Werkes könnten sich die Fans und Liebhaber vor Ort versammeln. Die Ausstellung müsste nicht zu einem festgelegten Termin eröffnet und dann wieder geschlossen werden. Stattdessen könnte sie sich in eine fortlaufende Serie von Ereignissen verwandeln, darunter Selfie-Tage für Kunst-Influencer oder Ruhetage für alle jene, die die Werke gerne im hergebrachten Modus kontemplativer Versenkung betrachten wollen. Im derart aktivierten Ausstellungsraum fände eine permanente Wahl, ein ständiges Kommen und Gehen von und vor der Kunst statt. So verwandeln sich vom Publikum mitgemachte Ausstellungen in lebendige Orte gemeinsamer Anerkennung, und Schauplätze vielfach geteilter Attraktion.