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Forderungen

19.08.12

Manche Forderungen werden an uns gestellt. Andere stellen wir. Manche Forderungen richten sich an jemanden. Andere bleiben ungerichtet. Die Spanne reicht von “Ich möchte, dass jetzt alles besser wird” bis zu “wir fordern sie letztmalig auf, ihre Rechnung zu begleichen.”
Die einen sind die Forderungen, die gestellt werden. Einerlei von wem sie kommen oder an wen sie sich richten, es handelt sich um Forderungen, die sozusagen in der Luft liegen. Sie fordern eine andere Welt. Bei Forderungen dieser Art handelt es sich nicht um eine Form von Widerstand. Sie gehen nicht von der Negation, sondern von einer Affirmation aus, allerdings von der Affirmation einer anderen, möglichen oder auch unmöglichen Welt. (Das vielleicht im Sinn von Badiou2007) Die Forderungen kritisieren nicht die Zustände, wie sie sind, sondern verlangen etwas, das nicht ist. Widerstand und Kritik bleiben demgegenüber zweitrangig.

Der Hang zur Selbst-Zerstörung wiederum liegt an den Forderungen der zweiten Art, nämlich den ganz einfachen Zahlungsforderungen, wie sie mit Krediten aller Art verbunden sind. Einige einfache Identitäten liegen dabei den ökonomischen Verhältnissen rund um die Kredite zugrunde. Vermögen sind Kredite. Kredite sind Zahlungsforderungen. Zahlungsforderungen entsprechen Zahlungsversprechen. Zahlungsversprechen sind Geld. Ein grundlegendes Problem unserer derzeitigen Lage liegt in der Menge der Kredite, also der Gesamtheit der anfallenden Zahlungsforderungen. Weil die Vermögen offenbar um jeden Preis erhalten werden sollen, müssen auch sämtliche Zahlungsforderungen aufrecht erhalten werden, selbst wenn es noch so unmöglich erscheint, sie je zu erfüllen. Wir haben einen Zustand erreicht, in dem keine Institution oder Bank, wenn sie nur gross genug ist, Pleite gehen darf. Kredite müssen unter allen Umständen bedient werden, denn die Forderungen sind nicht nur fest eingeplant, sondern versichert und wieder als Sicherheit hinterlegt, x-fach verkauft und wieder beliehen. Ohne die Fiktion, dass alle Kredite bedient werden, bräche die vom Kapitalismus unserer Zeit errichtete Pyramide instantan zusammen, ein Kartenhaus von Forderungen und Forderungen auf Forderungen und Forderungen auf Forderungen von Forderungen.
Betrachten wir diese zwei Arten von Forderungen im Hinblick auf die Zukunft. Die einen fordern eine Zukunft, die längst verkauft und vorherbestimmt ist. Sie beharren auf einer Menge von Zahlungen, selbst wenn diese nie geleistet werden können. Schon gar nicht unter den Bedingungen schrumpfender Wirtschaften, wie sie die gegenwärtige Austeritäts- und Verarmungspolitik forciert. Die Fiktion der Forderungen muss um jeden Preis aufrecht erhalten werden, denn ohne sie würde die schon verkaufte Zukunft bedroht. Sie richten sich auf eine Zukunft, die genau so eintreten muss wie gefordert. Die Institutionen, deren Existenz von den Forderungen abhängt, werden mit allen Mitteln versuchen, diese vorherbestimmte Zukunft zu erzwingen.
Dem treten die Forderungen all jener entgegen, die ihre Zukunft selbst bestimmen wollen, und denen keine andere Wahl bleibt, als sich gegen die Forderungen der anderen zusammen zu tun.