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Profit
14.06.08
in: Wörterbuch des Krieges. Merve, Berlin 2008. S.239-249
Profit
Wenn Einnahmen Ausgaben übersteigen, bleibt ein Profit zurück.
Er fällt an denjenigen, der das Unternehmen als Geschäft
durchführt. Krieg ist ein Unternehmen, oder anders gesagt: wir
wollen ihn unter dem Gesichtspunkt des Profits als ein Unternehmen
betrachten. Ein Unternehmen mit Businessplänen, mit Arbeitern,
Angestellten, mittlerem und oberen Management und mit sämtlichen
Verflechtungen zu staatlichen Finanzen, die all den Rufen nach einer
freien Wirtschaft zum Trotz sich auch der neoliberalste Kapitalismus
noch gern gefallen lässt. Alle am Krieg beteiligten Akteure
sollen in diesem Sinn als Teile eines umfassenderen ökonomischen
Systems betrachtet werden. Und am Ergebnis eines Krieges interessiert
unter diesem Gesichtspunkt erst einmal nur, wer geldwerten Profit
erhält, wo Kosten anfallen und wo Einnahmen erzielt werden,
einerlei welche rechtlichen oder tödlichen Konsequenzen damit
verbunden sind.
Krieg
ist ein komplexes Unternehmen. Selten findet sich ein
Generalunternehmer, der einen Krieg im Ganzen anbietet, vielleicht
sogar Freund und Feind umfasst. Im Normalfall fällt der Auftrag
„Krieg“ an viele verschiedene Firmen und Institutionen,
von denen einige – wie Heere, Flotten und Luftwaffen – seit dem
Beginn des 19. Jahrhunderts verstaatlicht sind, andere dagegen in
privater Hand liegen. Aber selbst das staatliche Militär vergibt
letztlich Aufträge an Privatfirmen, sieht man vom Personal ab.
So wirkt es als ein Puffer, der für Kriegsumsätze auch dann
sorgt, wenn der Frieden herrscht und die Industrie des Krieges nährt.
Der Militärapparat gewährleistet die Lagerhaltung gegenüber
den privaten Dienstleistern des Krieges. Werden allerdings die Lager
an Waffen allzu voll, so ist es schon allein aus wirtschaftlichen
Gründen angezeigt, einen Krieg vom Zaun zu brechen.
Gerne
wird über den Krieg in moralischen Begriffen von Schuld, von
Ehre, von Mut, von Schock und Furcht gesprochen. Das mag damit zu tun
haben, dass es beim Krieg ans Sterben geht. Will man sich dagegen dem
Profit ohne irgendwelche Verkleidungen zuwenden, dürfen
derartige Erwägungen erst einmal keine Rolle spielen. Nicht weil
sie unwichtig wären, sondern ganz einfach weil sie den Blick auf
die kalte Kalkulation der Gewinne verstellen. Und mehr noch, denn
betrachtet man den Krieg im Licht des Profits, so zeigt sich schnell,
dass die moralisierende Rede einen eigentümlichen Schatten
wirft. Man ist mittlerweile gewohnt, dass für allerlei Produkte
und Dienstleistungen geworben wird. Werbung für den Krieg gilt
noch immer als etwas Verwerfliches. Je mehr aber die Dienstleistung
Krieg privatisiert wird, desto gewöhnlicher wird es sein, für
sie zu werben. Die politische Überzeugungsarbeit, die einem
Krieg vorausgeht, kann in diesem Sinn durchaus als eine Art von
Werbeveranstaltung1
in einem ökonomischen Sinn verstanden werden.
Die
Welt der Wirtschaft setzt dem Handeln klare Bedingungen. Unternehmen,
die keinen Gewinn erzielen, verschwinden. Zugleich finden sich für
alle Unternehmungen, die Profit versprechen, über kurz oder lang
auch Akteure, die bereit sind, sie auszuführen. Daher erscheint
es sinnvoll, Profit nicht etwa als Begleiterscheinung eines Krieges
abzutun, sondern umgekehrt als zentrales Motiv anzusehen,
demgegenüber andere Kriegsgründe, etwa politische oder
militärische als zweitrangig erscheinen. Das bleibt für die
Kriegsziele nicht ohne Konsequenzen. Militärisch gesehen liegt
das Kriegsziel darin, den Kampf zu gewinnen. Im Hinblick auf den
Profit kann es dagegen durchaus günstiger sein, einen Krieg zu
verlieren, solange nur die Abrechnung am Ende stimmt.
Nun
mag man zwar den Krieg als ein Unternehmen betrachten können,
aber er lässt sich schwer als eine bestimmte Art von
Geldgeschäft definieren. Was als Krieg gilt und was nicht,
entscheidet sich jenseits der Finanzsphäre. Dort jedoch sind die
Definitionen in jüngster Zeit unscharf geworden. Clausewitz
konnte sich auf das Monopol des Staates auf den Einsatz von Gewalt
zurückziehen, und Krieg als eine Art von zwischenstaatlicher
Instanz begreifen, als Fortsetzung staatlicher Politik mit anderen
Mitteln.2
Alle Versuche, Krieg als Rechtsform zu begreifen, schließen
sich an die staatsbezogene Definition an, denn sie rekurrieren auf
auf nationale und internationale Rechtsgrundlagen. Dass dieser
archimedische Punkt der Justiz schwächer wird, haben in jüngster
Zeit die erfolgreichen Bestrebungen der Hegemonialmacht USA gezeigt,
ihre eigenen privaten wie staatlichen Soldaten und ebenso ihre
Kriegsgegner dem Rechtssystem zu entziehen. Wir bewegen uns also
wieder zum Krieg als einen rechtlosen, nicht-staatlichen Unternehmen
zurück. Er muss nicht erklärt werden, er findet einfach
statt. Krieg ist damit wieder nichts weiter als der organisierte
Gebrauch von Gewalt geworden. Selbst räumliche und zeitliche
Begrenzungen werden unscharf.3
Dazu kommt, dass der Staaten als wesentliche Instanz des Raumes keine
kriegsführende Partei ist. Es stehen sich gerade in jüngster
Zeit sehr unterschiedliche organisierte Strukturen gegenüber.4
Manche müssen von Rechts wegen ein Budget beantragen und ihre
Ausgaben ausweisen. Andere finanzieren sich über Spendenquellen
und freiwilliges Engagement. Gerade für letztere ist es kaum
möglich, die Abrechnung nachzuvollziehen.5
Und selbst für jene Kriege, die noch von Staaten geführt
werden, gehören allerlei verdeckte, aber nicht uninteressante
Posten mehr und mehr zum Normalfall.
Kalkulieren
wir den Krieg also als ein Unternehmen organisierter Gewalt, dessen
Umfang sich nur mehr oder weniger willkürlich in Raum und Zeit
begrenzen lässt. Um Formalien wie Jahresabschlüsse,
Geschäftsberichte und Bilanzen schert er sich nicht. Die
kriegsführenden Parteien erbringen eine komplexe Dienstleistung,
zu der nicht nur der Einsatz der Gewalt, sondern auch alle mittelbar
damit verbundenen Services zählen, wie etwa die Infrastruktur,
sogenannte Sicherheitsdienste oder auch Wiederaufbauhilfen. All das
muss als Teil einer umfassenden Kalkulation des Kriegs betrachtet
werden. So lassen sich etwa durchaus im Kampf auch ökonomische
Verluste hinnehmen, wenn sie durch anschließende Gewinne beim
Wiederaufbau wieder mehr als ausgeglichen werden.
Dazu
kommen noch eine ganze Reihe von Ausgaben und Einnahmen, die mit dem
Krieg entfernter verbunden sind, allem voran das Spektakel der
öffentlichen Aufmerksamkeit, der Information und Desinformation,
das sich rund um den Krieg entfaltet. Dazu zählen
Hollywood-Filme und Computerspiele ebenso wie die Berichterstattung
in diversen Medien. Es wäre nicht das erste Mal, dass Aktionen
im Krieg alleine des Spektakels zuliebe stattfänden.
Theatralische Anteile am Krieg sind nicht die Ausnahme, sondern der
Normalfall. Schon Kaiser Caligula, sein Name heißt nicht
umsonst „Soldatenstiefelchen“, lies seine Truppen
militärische sinnlose Schaufeldzüge nach Britannien und
Germanien unternehmen. In der Bilanz machen sich solche
Seitenschauplätze nicht unbedingt bemerkbar. Im Krieg als
Unternehmen haben sie jedoch als Werbung ihren festen Platz.
Ein
Unternehmen kennt nicht nur Einnahmen und Ausgaben, sondern auch
Anbieter und Kunden. Wer ist der Kunde eines Kriegs? Wer bietet die
Dienstleistung an? Wer erwirbt sie?
Als
Anbieter kommen die Ausführenden organisierter Gewalt in Frage.
Die Kunden der Dienstleistung Krieg sind jene Instanzen, die den
Auftrag erteilen. Versucht man Anbieter und Kunden klar abzugrenzen,
zeigt sich rasch, dass der Kriegs-Markt kein vollkommener Markt ist.
Denn Überschneidungen zwischen beiden Seiten sind nicht etwa die
Ausnahme, sondern geradezu eine Regel. Das gilt sowohl für den
demokratischen Staat, in dem militärische und zivile Macht zwar
nominell getrennt, aber de facto eng verflochten sind. Um so mehr
lässt sich das von jeder wie auch immer gearteten Diktatur sagen
und gleichfalls von allen informellen Strukturen, die nur der Kriegs
halber bestehen.
In
jüngster Zeit kommen etliche informelle
Kunden-Anbieter-Relationen hinzu, deren Geldflüsse äußerst
schwer zu durchschauen sind. Die klassische Guerilla-Organisation
hatte noch immer den Staat wenigstens als Gegner im Sinn, und war
damit bereit, staatsähnliche Strukturen zu imitieren. Heute gilt
das nur noch sehr eingeschränkt.
Die
kriegführenden Organisationen können halbprivat oder
transnational sein, in manchen Fällen beides. Für solche
Strukturen steht beispielhaft der Fall Al-Qaida. Das arabische Wort
heißt soviel wie „Regel“, „Basis“ oder
auch „Datenbank“. Im konkreten Fall geht der Begriff auf
eine Liste zurück, in der Osama bin-Laden die Ankunfts- und
Abreise-Daten der Besucher in seinem Gästehaus in Peschawar
verzeichnen ließ.6
Aus der Not, den Feind nicht zu kennen, machte man im Westen den
Namen „Liste“ selbst zu dessen Bezeichnung. Es mag
durchaus sein, dass diese Liste tatsächlich einen Kern der
Kontakte zwischen Kunden und Anbietern abbildet und damit einen
zentralen Punkt darstellt, an dem über Krieg oder nicht Krieg
entschieden wird.
Der
Kampf gegen Listen führt zu der eigentümlichen Lage, das
stehende Heere mit ihren festen Strukturen sich plötzlich einem
Feind gegenübersehen, der nur als Symptom einer undurchschauten
Struktur auftaucht.7
Jeder militärische Erfolg besiegt ein Symptom, ohne am Ende die
dahinter liegende Struktur zu schwächen, ganz im Gegenteil – er
stärkt sie.
Noch
vertrackter erscheint die Lage derzeit im Irak. Es ist und bleibt ein
Rätsel, um wen es sich bei den Gegnern eigentlich handelt. Mal
spricht man von religiösen Sektierern, mal von Anhängern
eines Führers, mal von sich untereinander bekämpfenden
Stämmen und Clans, mal von einem Glaubenskrieg.8
Die
Unübersichtlichkeit der Lage gefährdet das keineswegs den
Profit des Krieges. IM Gegenteil, garantiert doch gerade ein Krieg,
der sich zu einem Quagmire, einem Schlammassel ohne Ende auswächst,
stetige Einnahmen.
In
diesem Fall treffen zwei daher Gegner aufeinander, die sich
ergänzen.9
Auf der einen Seite eine Verflechtung von staatlichen und privaten
Interessen, die langgezogene Niederlagen als ökonomische Profite
auskostet. Ihr Gegenüber besteht eine informelle Struktur, die
nicht im konventionellen Sinn militärisch zu besiegen ist,
gleichwohl selbst nicht zu gewinnen vermag.
Immerhin
scheint der Unterschied zwischen Kunden und Anbieter im Fall eines
kriegführenden Staates eindeutig zu sein. Doch diese Annahme
täuscht. Denn die Interessenverflechtungen des
militärisch-industriellen Komplexes, vor denen General
Eisenhower in seiner berühmten Abschieds-Rede10
gewarnt hat, sind mittlerweile gut etabliert. Die Trennlinien
zwischen Kunden und Anbietern von Krieg können damit zwar nicht
formal, aber doch de-facto aufgehoben werden. Das ist der Fall, wenn
etwa ein Staates von Figuren regiert wird, die in einer anderen
Funktion die Dienstleistung Krieg anbieten.
Von
diesem Ausgangspunkt lässt sich ein einfaches Gesetz aufstellen,
unter welchen Unternehmen Krieg als profitables Unternehmen
stattfindet. Nämlich immer dann, wenn die Entscheidung über
Krieg oder Nicht-Krieg Akteuren zufällt, die vom Krieg
profitieren. Vier grundlegende Fälle lassen sich isolieren, je
nachdem auf welchem Niveau von Organisation sich Gewinn und Gewalt
begegnen:
Bürgerkriege:
Die Akteure im Feld entscheiden über den Krieg und verfügen
über territoriale Einnahmequellen.11
Dieser Fall trifft auf so gut wie die gesamten derzeitigen
Bürgerkriege Afrikas zu. Seit die Mittel für
Stellvertrerkriege nach dem Ende des Kalten Krieges versiegt sind,
werden sie um Rohstoffe geführt, aus deren Verkaufserlösen
sich die Armeen finanzieren.
Terrorismus
in organisierter Form wird durch Spenden und private Geldgeber in
multinationalen Netzwerken, einer Art pervertierter oder Gegen-NGOs,
gefördert. Gleichzeitig lassen sich Kämpfer billig
mobilisieren und gehen enormer „Produktivität“ im
Einsatz von Gewalt zu Werk, falls man das Verhältnis von
Leistung, nämlich Gewalt. und Kosten wie üblich mit dem
Begriff „Produktivität“ bezeichnen möchte.
Staatskriege,
die Krieg noch als großes organisatorisches Gesamtsystem
veranstalten, in dem teils staatliche, teils private Anbieter eines
militärisch-industriellen Komplexes aktiv werden.
Alle
diese Arten von Krieg zeichnen sich gegenüber den klassischen
Kriegen durch eine Besonderheit aus, die mit der Tatsache des Profits
zu tun hat. Sie haben selten einen wirklichen Anfang und nehmen fast
nie ein Ende, jedenfalls nicht, solange sie profitabel geführt
werden können. Der Krieg geht von einem zeitlich begrenzten
Ereignis in einen dauerhaften Zustand über. Nichts hat diese
Umstellung besser verdeutlicht als die rhetorischen Umstellungen zum
vermeintlichen Ende der Kampfhandlungen im Irak. Als Präsident
George W. Bush am 1. Mai 2003 unter einem Banner mit den Worten
„Mission accomplished“ eine Rede zum Kriegsende im Irak
halten wollte, hatte Rumsfeld eben diese Worte aus der Rede
gestrichen. Statt dessen fand der Präsident die folgenden Sätze
vor: „Our mission continues. Al Qaeda is wounded, not
destroyed. (…) The war on terror is not over; yet it is not
endless. We do not know the day of final victory, but we have seen
the turning of the tide.“12
Da Ebbe und Flut aber sich wiederholende und nicht gerichtete
Bewegungen sind, entspricht das Bild genau jener Formel des „langen
Krieges“, die 2006 auch vom US-Verteidigungsministerium
offiziell ausgegeben wurde.13
Wie
sich ein solcher Krieg profitabel kalkulieren lässt, zeigt das
Beispiel des Irakkrieges. Linda Bilmes und der
Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz schätzen die
Gesamtkosten des Kriegs bis Dezember 2006 auf über 2267
Milliarden Dollar.14
Davon entfallen ca. 1000 Milliarden
auf staatliche Ausgaben im engeren Sinn, der Rest auf
gesamtwirtschaftliche Folgekosten. Der Annahme, der Krieg würde
durch Öl refinanziert werden und sei allein um des Öls
willen geführt worden, widersprechen die vergleichsweise
geringen Gewinne aus dem Ölgeschäft, bei dem gesamten
Exportumsatz des Landes von ungefähr 50 Milliarden Dollar
jährlich.15
Auf
der Seite der Anbieter von Kriegsleistungen steht nicht von ungefähr
die Firma KBR/ Halliburton im Zentrum der Aufmerksamkeit. In den
ersten 4 Kriegsjahren soll sie allein im Irak Aufträge für
insgesamt 17 Milliarden Dollar erhalten haben.16
Um nur in einem Fall die Geldzirkulation vom Käufer zum Kunden
zum Käufer nachzuvollziehen, muss man wissen, das Vizepräsdídent
Dick Cheney bis 2001 auch Vice-President derselben Firma war und nach
wie vor ein Gehalt von bis zu 1 Million$ jährlich bezieht.17
Er ist nicht als einziger derart eng als Anbieter und Kunde von Krieg
eingebunden, wohl aber die prominenteste Figur.
Das
generelle Muster der Zirkulation besteht darin, dass Unternehmen
Krieg zu dem Zweck veranstalten, öffentliche Mittel in privates
Vermögen zu verwandeln. Der Profit fällt beim Anbieter des
Krieges an, der im Idealfall, wie also bei Cheney, mit dem
Auftraggeber eng verflochten ist. Für diese Kalkulation spielt
es keinerlei Rolle, welches militärische oder politische
Ergebnis der Krieg mit sich bringt. Selbst im Fall einer Niederlage
und bei noch so verheerenden politischen Konsequenzen bleibt die
Profitabilität des Unternehmens nicht angetastet. Und die
Mentalität des Regierenden entspricht der eines römischen
Senators, der eine Provinz für 2 Jahre bewirtschaftet, um sich
privat zu bereichern.
Nachdem
der Kalte Krieg, den Virilio ganz zurecht mit dem Worten „Friede
als Krieg“ beschrieben hat,18
fürs erste ersatzlos zu Ende gegangen war, fand man etliche
Maßnahmen, um die Profitabilität der neuen Kriege zu
sichern,
Shock
and Awe kann als eine Strategie der Umsatzmaximierung aufgefaßt
werden. Sie maximiert den Materialeinsatz, obgleich sich das nur
bedingt militärisch erfolgreich herausgestellt hat.
Der
sogenannte asymmetrische Krieg ist ein Dogma, das es erlaubt
und verlangt, auch bei gegen schwache Gegner hochtechnisierte, weit
überlegene und teure Waffensysteme einzusetzen.
Privatisierung
verspricht, indem sie die staatlichen Instanzen der Armee umgeht,
höhere Produktivität und größere Gewinnmargen,
wobei sich aus der Zersplitterung des Gewaltmonopols Probleme
ergeben.19
Long
War, Krieg als Zustand, der nicht auf einen Sieg hin arbeitet,
sondern das Geschäft der Gewalt auf eine nachhaltige Basis
stellt.
Angesichts
dieser ökonomisch günstigen Lage stellt sich zuletzt die
Frage, warum es nicht mehr Kriege gibt, wenn sie derart profitabel
sind? Auch hier lassen sich ökonomische Gründe ins Feld
führen. So wie an einer Stelle Profite des Krieges anfallen,
kommt es anderswo zu Verlusten. Und das nicht nur auf Seite des
Staates, sondern auch auf Seiten der Industrie, deren wirtschaftliche
Tätigkeit gestört ist. Wenn Nationalstaaten miteinander
Kriege ausfechten, neigt sich die Vorab-Bilanzierung stets dann dem
Krieg zu, wenn protektionistische Bewegungen die Handelsvorteile
ohnehin zum Erliegen bringen.20
In Zeit einer boomende Weltwirtschaft und zunehmender Globalisierung
hingegen müssen die Gelegenheiten, einen staatlichen Krieg ohne
große Beeinträchtigung des Wirtschaftslebens anzuzetteln,
gesucht werden. Hier erweist sich das Konzept der Schurkenstaaten als
hilfreich, das einzelne Ziele als solche markiert, ohne dass ein
Grund geliefert werden müsste. Dabei geht es nicht allein darum,
den Kriegsgrund gegen den Schurken in der „Rechtfertigung
dieses Rechts des Stärkeren“21zu
suchen, sondern mehr noch, ihn vorab durch Sanktionen von der
ökonomischen Zirkulation abzuschneiden. Dadurch erscheint die
Gesamtkalkulation des Krieges, die Verluste gegen Gewinne aufrechnet,
als immer profitabler.
Um
die neuen post-nationalen Kriege durchführen zu können,
gliedern Staaten mehr und mehr überstaatliche, autonome
kriegführende Einheiten aus, die teils aus Privatarmeen, teils
in Auskopplungen aus konventionellen Heeren bestehen. Sie können
global überall dort eingesetzt werden, von ökonomische
Strukturen derart zusammenbrechen, dass es sinnvoll scheint, Kriege
zu führen. Der lange Krieg wird damit zu einem Zustand, der dem
eng globalisierten Kapitalisms entspricht, und an wechselnden
Schauplätzen weltweit stattfindet. Die Funktion der Werbung
übernimmt in diesem Fall die Warnung vor einer drohenden
humanitären Krise zu, auch wenn deren geographische Lage noch so
zufällig wie im Sudan mit gerade zu erschließenden
Ölfeldern zusammenfällt. Wir treten damit in eine Phase
andauernder Kriegsbereitschaft und andauernder Kriege ein, die immer
dort entstehen, wo eine lokale, nicht notwendigerweise auf
Staatsgrenzen bezogene Gesamtkalkulation sie nahe legt und so lange
dauern, wie diese ökonomische Grundlage besteht.
Krieg
als Übergang zu organisierter Gewalt unter ökonomisch
vorteilhaften Bedingungen. Reicht aus, wenn für eine Seite.
1bes.
prominent in Erinnerung etwa die Rede von von Clolin Powell vor der
UN, siehe www.whitehouse.gov/news/releases/2003/02/20030205-1.html
2
Karl v. Clausewitz: Vom Kriege. Frankfurt 1980 [1832], S.34
3vgl.
zur Reorganisation des Raumes: Saskia Sassen: Territory, Authority,
Rights. Princeton 2006, S. 386 ff.
4vgl.Münkler:
die Neuen Kriege
5s.
den Versuch von L. Napoleoni:
6Vgl.
hierzu Dr. Saad al-Fagih im Interview, unter
www.pbs.org/wgbh/pages/frontline/shows/binladen/interviews/al-fagih.html
7Vgl.
Martin Creveld:
8Vgl.
auch hierzu noch einmal detailiert: M van Creveld:
9Vgl.
hier Shawn Brimley: Tenatcles of Jihad: Targeting Transnational
Suport Networks. Paramenters, summer 2006, S 30-46, unter
carlisle-www.army.mil/usawc/Parameters/06summer/brimley.htm
10Vgl.
Dwght D. Eisenhower: Farewall Address 1961,
coursesa.matrix.msu.edu/~hst306/documents/indust.html
11Vgl.
Münkler: Die neuen Kriege 159f
12www.whitehouse.gov/news/releases/2003/05/20030501-15.html
13„The
United States is a nation engaged in what will be a long war“
lautet der erste Satz des 2006 Quadrennial Defense Review Report,
www.defenselink.mil/qdr/report/Report20060203.pdf, S.7
14Linda
Bilmes, Joseph Stiglitz:
http://www.milkeninstitute.org/publications/review/2006_12/76_83mr32.pdf
15Schätzung
für 2006, basierend auf
www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/print/iz.html
16Laut
www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,504742,00.html
17www.guardian.co.uk/Iraq/Story/0,2763,912515,00.html
18Paul
Virilio, Sylvère Lothringer: Der reine Krieg, Merve 1984,
S.139
19Vgl.
für den entstehenden Rollen- uind Rechtskonflikt Marc
Lindemann: Civilan contractors under Military Law. Parameters,
Autumn 2007, s. 83-94, auch unter:
carlisle-www.army.mil/usawc/Parameters/07autumn/lindeman.htm
20Karl
Polanyi: The Great Transformation untersucht diesen Zusammenhang
ausführlich, zum Umsschlag bes. S. 323f.
21Jacques
Derrida: Schurken, S.146